Besondere Projekte
Hin und wieder liegen sie auf meinem Arbeitstisch – diese ganz besonderen Projekte. Das handgeschriebene Evangelium, das Buch zum Jubiläum eines Komponisten, der Begleiter eines Königs oder die Hommage an die Kathedrale Notre Dame in Chartres.
Gladbacher frohe Botschaft
Anlass für dieses besondere Buchprojekt war die Suche nach einem passenden Geschenk der katholischen Gemeinden der Stadt Mönchengladbach an die evangelischen Mitchristen zum 500 -jährigen Jubiläum der Reformation. 80 Mitglieder der katholischen Gemeinden in Mönchengladbach schrieben von Hand die Texte der 4 Evangelien auf kostbares Büttenpapier. Gebunden wurden die Texte auf die Art, zu der zu Luthers Zeiten Bücher gebunden wurden.
Die fertig beschriebenen Lagen (Lage = mehrere in der Mitte geknickte und dann ineinander gesteckte Bogen Papier) wurden von Hand auf echte Kordel-Bünde geheftet und mit Hilfe dieser Kordelbünde mit Eichenholz-Deckeln verbunden. Vor über 500 Jahre hätte man die Holzdeckel im Anschluss vollständig/rundum mit Leder oder Pergament bezogen. Für diese Bücher haben wir mit dem Auftraggeber entschieden, die Bücher als Halbleder auszuführen, also nur den Buchrücken und ein Stück der Deckel mit Leder zu beziehen, um auch das wertvolle Holz zur Geltung kommen zu lassen. Neben Titelschildern auf den Buchrücken, die kenntlich machen, welches Evangelium im Buch zu finden ist, sind lasergravierte Messing-Plaketten in den Vorderdeckeln eingelassen, die das jeweilige Zeichen der 4 Evangelisten tragen und den Bogen von mittelalterlicher Buchbindekunst zu modernster Lasertechnik schlagen.
Ein Ort der Wandlung
Dieses Buch entstand 2021 für den Komponisten Helge Burggrabe aus Anlass seines 25-jährigen Jubiläums der Begleitung und Durchführung spiritueller Reisen zur Kathedrale von Chartres. Über 200 Menschen, die in den letzten 25 Jahren an einer solchen Reise teilgenommen haben, haben in diesem Buch in Wort und Bild und eigens geschaffenen Gemälden zum Ausdruck gebracht, warum Chartres für sie ein Ort der Wandlung ist. Das Buch und eine Mappe mit 4 Klappen greifen verschiedene Details der Kathedrale mittels ganz unterschiedlicher Dekortechniken auf. In einer Schlagkassette, bezogen mit grobem Leinen und ausgestattet mit handgefertigten Beschlägen, schlägt den Bogen zum Mittelalter und nimmt Buch und Mappe auf.
Auf dem Vorderdeckel ist skizzenhaft das Westwerk der Kathedrale zu erkennen. Wo die Fenster-Rosette verortet ist, ist hier das bekannte Labyrinth aus dem Inneren der Kathedrale zu sehen, das dort im Fußboden eingelassen ist. Bezugnehmend auf den Schleier der Maria, der als größtes Heiligtum in Notre Dame/Chartres aufbewahrt wird, ist das Buch mit einem dünnen Organza-Stoff überzogen/verhüllt. Die Mappe zeigt auf ihren vier großen Klappen in verschiedenen Techniken (bemaltes Gewebe, Gewebe-Intarsie, in Vertiefung abgesenktes Foto, schwebendes Schild) einige Details der Kathedrale. In der Mappe ist ebenfalls ein Labyrinth nach Chartreser Art zu erkennen.
Blaues Glas aus Chartres
Dieses Buch entstand als „Echo“ auf eine vom Komponisten Helge Burggrabe begleitete Reise/ Begegnung mit der aus der im 12. Jhd. stammenden Kathedrale Notre Dame in Chartres/Frankreich. Es greift in seiner Gestaltung Proportionen und Verhältnisse, Gesehenes, Gehörtes und Erlebtes auf. Vorne ist ein Stück blaues Glas aus einer Chartreser Glaswerkstatt über einem Durchbruch im Vorderdeckel eingelassen, denn die Kathedrale ist unter anderem berühmt für ihre zahlreichen sehr alten blautönigen Fenster (Bleu de Chartres).
Die Notenlinien, die sich über Vorder- und Rückdeckel ziehen, symbolisieren vorne -mit dem Stück Glas an der Stelle der große Fenster-Rosette- die Ansicht des Westwerks der Kathedrale. Auf dem Rückdeckel zeichnen sie den Pilgerweg durch die Unterkirche nach. In der Kassette, in der das Buch aufbewahrt und transportiert werden kann, findet sich eine Klischee-Prägung des berühmten Labyrinths, das im Boden der Kathedrale eingelassen ist. Der Inhalt des Buches besteht zur Hälfte aus linierten Blättern und zur Hälfte aus Blankopapier als Reise- Kompositions-, Notiz – und Skizzenbuch für den Komponisten Helge Burggrabe. Er nutze es für die ersten Skizzen zu seiner Orchester-Suite HUMAN.
Des Königs neues Buch
Die Einzelteile liegen und stehen auf dem Arbeitstisch von Stephanie Baues bereit. Den roten Einband hat die Buchbindemeisterin aus Kalenberg ebenso vorbereitet wie die Bücherseiten. Daneben sind bereits die bleiernen Buchstaben so zurechtgelegt, dass sie am Ende die Worte Fluthilfe, Caritas und Euskirchen ergeben. Das Klischee, mit dem später ein kleiner Flutkönig in den Buchdeckel gepresst wird, hat dort auch seinen Platz gefunden, genauso wie die Goldfolie für ein glänzendes Endergebnis.
Es kann also losgehen mit der Arbeit an des Königs neuem Buch, das dazu bestimmt ist, gemeinsam mit der Holzskulptur von flutbetroffener Familie zu flutbetroffener Familie zu wandern, dabei Hoffnung und Mut zu machen sowie Erlebnisse und Erfahrungen einzusammeln. „Das ist eine richtig tolle Aktion und ich freue mich, meinen Teil dazu beitragen zu können“, sagt Stephanie Baues. Die Idee stammt vom Euskirchener Caritasverband, der insgesamt drei solcher Königskulpturen vom Bonner Diakon und Bildhauer Ralf Knoblauch erworben hat.
Holz zerstörter Fachwerkhäuser
„Die kleinen, aus dem Holz zerstörter Fachwerkhäuser geschnitzten Figuren sollen mit ihrer Krone und der aufrechten Haltung verdeutlichen, dass die Würde des Menschen selbst in solchen Krisenzeiten erhalten bleibt“, wird Maria Surges-Brilon, Vorstand des Euskirchener Caritasverbandes, in einem Zeitungsbericht in Kölnischer Rundschau und Kölner Stadt-Anzeiger zitiert. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen sei die Figur ein Symbol der Hoffnung, dass schwere Zeiten zwar zum Leben dazugehören, die Solidarität der Menschen untereinander jedoch selbst in solchen Situationen Trost spenden kann.
Maria Surges-Brilon und ihr Team haben inzwischen einen König an die Bad Münstereifeler Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian übergeben, eine Königin an ihren Euskirchener Amtskollegen Sacha Reichelt. Der kleine König im Bunde wird das Buch auf seiner Reise von Familie zu Familie begleiten.
Doch zunächst machte er eine Stippvisite in der Kalenberger Werkstatt von Stephanie Baues, wo er die Buchbindemeisterin genau im Blick behielt, während sie mit gekonnten Handgriffen die diversen Einzelteile zu einem wunderschönen Gesamtwerk zusammenfügte. Die losen Seiten, die die Gemünder Medienproduzentin Kathrin Wallraf gestaltet und dafür hochwertiges Papier ausgewählt hatte, das sich mit unterschiedlichen Stiften gut beschreiben lässt, hatte Stephanie Baues bereits zu einem Buchblock verarbeitet.
Einband in Caritas-Rot
Ebenfalls von Kathrin Wallraf stammt die Zeichnung für das Klischee des Königs. Diese Druckvorlage aus Magnesium hat Stephanie Baues in ihre Prägemaschine eingespannt. „Ich mache zur Sicherheit noch einen Probedurchgang“, sagt die Buchbindemeisterin und presst das erwärmte Leichtmetall in eine Pappe, die den Maßen des späteren Buchdeckels entspricht.
Alles passt und so kann jetzt der Bucheinband in Caritas-Rot eingespannt werden. Nacheinander prägt Stephanie Baues mit Hilfe von goldener Folie einen König sowie die Worte Fluthilfe, Caritas und Euskirchen in den Einband.
Anschließend kommt der Pinsel mit Leim zum Einsatz. Buchblock und Einband werden miteinander verbunden. Im Rücken des Buchblocks hat die Kalenberger Handwerkerin noch ein Kapitalband eingesetzt, wodurch das Buch noch etwas edler wirkt – schließlich begleitet es einen König. Auch ein Lesezeichenband ist integriert.
Die Einzelteile sind derweil vom Arbeitstisch verschwunden. Der Einband und die einzelnen Seiten sind jetzt eins. Die bleiernen Buchstaben kommen wieder in den Setzkasten zurück. Das Magnesium-Klischee wird luftdicht verpackt, damit es nicht korrodiert. Die Goldfolie kommt auch wieder an ihren Platz. Nur der König ist noch da. Er wacht über „sein“ Buch. Stephanie Baues streicht nochmal über das fertige Werk und sagt mit einem zufriedenen Lächeln: „Ist schon echt schön geworden. Jetzt kann es gemeinsam mit dem König auf Reisen gehen.“
pp/Agentur ProfiPress